Agrotourismus: Eine nachhaltige Zukunft für den ländlichen Tourismus

Die Bedeutung und Vielfalt des Agrotourismus


Julius Fabini
28-05-2024

Vorteile und Herausforderungen des Agrotourismus

Erfahren Sie mehr über die Definition, Arten, Vorteile und Herausforderungen des Agrotourismus. Entdecken Sie, wie dieser nachhaltige Tourismuszweig zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ländlicher Regionen beiträgt.

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Was ist Agrotourismus?

Agrotourismus ist eine Form des Tourismus, die eng mit dem ländlichen Raum und der Landwirtschaft verbunden ist. Dieser Tourismuszweig hat in den letzten Jahrzehnten in Europa besondere Bedeutung erlangt, da er wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Aspekte der Nachhaltigkeit miteinander verknüpft. Im Unterschied zum allgemeinen ländlichen Tourismus findet Agrotourismus direkt auf landwirtschaftlichen Betrieben statt. Das Ziel ist es, nicht nur Unterkünfte, Essen und Freizeitaktivitäten zu bieten, sondern auch einen Einblick in die täglichen Arbeiten und Traditionen des landwirtschaftlichen Lebens zu ermöglichen (Robinson).

Unterschiede zwischen Agrotourismus und anderen Tourismusformen

Term & Definition Unterschied zum Agrotourismus
Ökotourismus ist eine naturbasierte, nachhaltige Form des Tourismus, die die Umwelt schützt, Besucher und Einheimische aufklärt und wirtschaftliche Vorteile für die lokalen Gemeinschaften bietet (MDPI)​.Ökotourismus konzentriert sich auf nachhaltigen Transport, Naturschutzgebiete und den Umweltschutz, oft in Nationalparks, während der Agrotourismus stärker auf lokale Traditionen und die Unterstützung des kulturellen Erbes ausgerichtet ist. Agrotourismus umfasst mehr soziale Aspekte als Ökotourismus.
Grüner Tourismus ist ein weiterer Begriff, der oft synonym mit Ökotourismus verwendet wird und umweltfreundliche Praktiken betont.Agrotourismus ist eine Form des grünen Tourismus, umfasst jedoch mehr soziale Aspekte als grüner Tourismus.
Nachhaltiger Tourismus erfüllt die Bedürfnisse der gegenwärtigen Touristen und Gastgemeinden, während er gleichzeitig die Möglichkeiten für die Zukunft schützt und verbessert. Er stellt sicher, dass Ressourcen so verwaltet werden, dass wirtschaftliche, soziale und ästhetische Anforderungen erfüllt werden, während die kulturelle Integrität, wesentliche ökologische Prozesse, die biologische Vielfalt und die Lebenserhaltungssysteme erhalten bleiben (MDPI, UNTWO).Agrotourismus ist Teil des nachhaltigen Tourismus und wahrscheinlich die nachhaltigste Form aufgrund seiner geringen Umweltbelastung, Förderung nachhaltiger Lebensstile und Unterstützung lokaler Traditionen sowohl emotional als auch finanziell. Agrotourismus erreicht beeindruckende 14 der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Natione
Verantwortungsvoller Tourismus und nachhaltiger Tourismus teilen viele Ziele, wobei verantwortungsvoller Tourismus stärker auf die ethischen und moralischen Verpflichtungen der Beteiligten abzielt. Er betont individuelle und organisatorische Maßnahmen, um positive Auswirkungen zu erzielen, während nachhaltiger Tourismus oft breitere regulatorische Rahmenwerke und politische Maßnahmen zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen umfasst​ (MDPI)​.Agrotourismus ist verantwortungsvoller als nachhaltiger Tourismus, da er die zusätzlichen Ziele des verantwortungsvollen Tourismus einschließt, indem er ethische und moralische Verpflichtungen neben der Nachhaltigkeit fördert. Agrotourismus ist eine sehr verantwortungsvolle Form des Tourismus, da er Bildung, gelebte Nachhaltigkeit und die Förderung einer tiefen Verbindung zwischen Mensch und Natur in kulturellen Landschaften betont.
Geotourismus erhält oder verbessert den geografischen Charakter eines Ortes, einschließlich seiner Umwelt, Kultur, Ästhetik, seines Erbes und des Wohlbefindens der Bewohner (Sci-Hub)​.Geotourismus hat einen bildenden Fokus auf das natürliche und geografische Erbe, während Agrotourismus stärker auf Menschen, Kulturlandschaften und die Harmonie zwischen Natur und Mensch als auf geologische Merkmale ausgerichtet ist.
Naturtourismus ist eine Form des Tourismus, die mit dem Besuch natürlicher Landschaften und Attraktionen verbunden ist und Aktivitäten umfasst, die es Einzelpersonen ermöglichen, eine Verbindung zur und Wertschätzung der natürlichen Welt zu entwickeln. Er umfasst verschiedene Formen des Tourismus wie Abenteuertourismus, Ökotourismus und Wildtiertourismus und betont Erlebnisse, die das Beobachten, Erkunden und Genießen der Natur beinhalten (Frontiers)​.Naturtourismus konzentriert sich in erster Linie auf das Erleben und die Wertschätzung natürlicher Umgebungen und Wildtiere. Im Gegensatz dazu ist Agrotourismus stärker auf landwirtschaftliche Umgebungen und Aktivitäten ausgerichtet und bietet Einblicke in landwirtschaftliche Praktiken, lokale Lebensmittelproduktion und das Landleben. Während beide Tourismusformen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein fördern, betont Agrotourismus auch das Lernen von lokalen Bauern und das Engagement mit ländlichen Kulturen und Traditionen.
Abenteuertourismus beinhaltet Reisen zu abgelegenen oder exotischen Orten, um an körperlich herausfordernden Aktivitäten teilzunehmen, die oft ein gewisses Risiko oder eine wahrgenommene Gefahr beinhalten. Er ist gekennzeichnet durch Aktivitäten, die körperliche Anstrengung und Fähigkeiten erfordern, wie Bergsteigen, Bungee-Jumping, Rafting und Trekking (Frontiers)​.WWährend sich der Abenteuertourismus auf Nervenkitzel und körperliche Herausforderungen in natürlichen Umgebungen konzentriert, ist der Agrotourismus auf landwirtschaftliche Erfahrungen und das Lernen über landwirtschaftliche Praktiken, lokale Lebensmittelproduktion und ländliche Lebensstile ausgerichtet. Agrotourismus betont Bildungs- und Kulturerlebnisse statt körperlicher Herausforderungen.
Voluntourismus ist eine Form des Tourismus, bei der Reisende freiwillig arbeiten, typischerweise für eine Wohltätigkeitsorganisation oder eine Nichtregierungsorganisation. Er unterstützt oft einen "White Savior"-Komplex, bei dem privilegierte Freiwillige glauben, sie würden benachteiligte Gemeinschaften "retten" (LSA WordPress)​.Agrotourismus kann manchmal mit Voluntourismus überschneiden, bietet jedoch zusätzlichen Respekt gegenüber den Einheimischen, indem er Wertschätzung für ihre traditionelle Arbeit zeigt. Agrotourismus geht es darum, von den Einheimischen zu lernen und ihre Arbeit und Traditionen zu schätzen, anstatt ihnen notwendigerweise körperlich zu helfen.

 

Welche Arten von Agrotourismus gibt es?

Es gibt verschiedene Ansätze im Agrotourismus:

  • Indirekte Ansätze: Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden an touristische Einrichtungen verkauft. Beispiele sind Bauernmärkte, bei denen lokale Produkte direkt an Touristen verkauft werden.
  • Direkte Ansätze: Anbieter sind sowohl in der Landwirtschaft als auch im Tourismus tätig. Aktivitäten umfassen Besuche von Weingütern, Selbstpflückfelder, landwirtschaftliche Informationszentren, Übernachtungen auf Bauernhöfen und Erntefeste (Robinson).

Warum ist Agrotourismus sinnvoll?

Agrotourismus schafft Mehrwerte für Kleinbauern, lokale Gemeinschaften und Besucher. Durch Interaktionen mit Touristen können Landwirte neue Kompetenzen entwickeln, ihre Produkte direkt an Endkunden verkaufen und den Austausch mit der Gemeinschaft intensivieren. Dies führt dazu, dass Gelder aus industriellen Regionen in weniger industrialisierte Gegenden fließen. Agrotourismus unterstützt das Bewahren der dörflichen Einzigartigkeit und trägt zur langfristigen wirtschaftlichen Weiterentwicklung bei. Er hilft auch, die Abwanderung aus ländlichen Gegenden zu reduzieren und stärkt die Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten im Sinne der globalen Nachhaltigkeit (Stotten).

Fallbeispiele von Agrotourismus-Projekten

Das "Casa Catalin" befindet sich in Șirnea. Catalin, der einst in Bukarest tätig war und sich als Sportler einen Namen machte, entschied sich, in sein Heimatdorf zurückzukehren. Dort kombinierte er Landwirtschaft mit Tourismus: Er eröffnete eine Pension, in der Gäste nicht nur übernachten, sondern auch seinen selbstgemachten Käse aus eigener Landwirtschaft genießen können. Obwohl Catalins Projekt online nur wenig präsent ist und er mit zu wenigen Touristen zu kämpfen hat, schaffen es Catalin und seine Frau, trotz der vielen Arbeit von morgens bis abends das Projekt stetig weiterzuentwickeln. Allerdings hat die Landwirtschaft gelitten, so dass er jetzt nur noch 6 Kühe besitzt und den Käse hauptsächlich verkauft oder verschenkt. Das Projekt überzeugt jedoch durch seine Authentizität und den Respekt für lokale Traditionen.

Das "Popasul Morii" blickt auf eine beeindruckende 150-jährige Mühlen-Geschichte zurück und wird heute von der vierten Generation der Familie Popa betrieben. Die Mühle wird oft besichtigt, mit etwa 8 Besuchern pro Tag. Sie mahlt mittels Wasserkraft Mehl für kleine Bäckereien. Ein Vorteil dabei ist, dass man das Mehl dem Korn zuordnen kann und die niedrige Temperatur beim Mahlen eine hohe Qualität gewährleistet. Das reiche landwirtschaftliche Erbe, kombiniert mit herzlicher Gastfreundschaft, zieht viele Touristen an. Allerdings ist der Ort schwer zu finden und auf Booking.com falsch gelistet, wo der Preis für die gesamte Pension mit dem für ein Zimmer verwechselt wurde. Die Pension zeigt Anzeichen von starken modernen Einflüssen und neigt etwas zum Kitsch, trotz des historischen Standorts.

Die ehemalig evangelischen Pfarrhäuser in Hundertbücheln (Movile) und Probstdorf (Stejarisu) sind lebendige Zeugnisse dafür, wie externe Gemeinschaftsinitiativen über die Jahre eine touristische Neuausrichtung erzielen konnten. Mit der Unterstützung engagierter Gemeinschaften aus Deutschland und Österreich gelang es, lokale Lebensweisen und Tourismus in Einklang zu bringen. Nach dem Kommunismus blieben die Häuser im Besitz der evangelischen Landeskirche und wurden von der Heimatortgemeinschaft (HOG) gemietet. Die Pension war im Falle Hundertbüchelns anfangs ausschließlich für Mitglieder der HOG geöffnet, später aber auch für externe Gäste. Obwohl der Betrieb ohne offizielle Genehmigung läuft und auf Spendenbasis funktioniert, trägt er sich. Doina, eine Roma aus dem Dorf, verdient sich durch das Putzen die Endreinigungsgebühr. Alle weiteren Einnahmen fließen in die Renovierung des Hauses. Ein Verein aus Deutschland, "Friends of Hundertbücheln", engagiert sich intensiv im Dorf. Dank Paul, einem Mitglied dieses Vereins, der ins Dorf gezogen ist, konnten diverse Angebote integriert und Hundertbücheln zu einem Touristenziel entwickelt werden. Der Verein kreiert zudem Weihnachtsboxen, die in Deutschland verkauft werden. Mit Produkten aus Hundertbücheln und dem benachbarten Probstdorf unterstützt diese Initiative zahlreiche Familien im Ort.

Emil ist in der Roma-Community eines ehemals sächsischen Dorfes Pretai (Brateiu) tief verwurzelt und hat sich dort als Hüter der Kunst des für Roma traditionellen Kupferhandwerks etabliert. Neben seiner Tätigkeit als Kesselflicker bewirtschaftet er auch ein Stück Land und verarbeitet Kupfer auf die althergebrachte Weise der Roma. Emil ist nicht nur ein Meister seines Fachs, sondern auch ein Lehrer, der seine Fähigkeiten und das Wissen um diese Tradition an seine Kinder und Enkel weitergibt. Nach seiner Entdeckung durch Tourguides konnte er zudem eine Brücke zum Tourismus schlagen. Nicht nur bringt ihm dies eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern es verstärkt auch das Interesse an seinen Kreationen, die nun auch vor Ort erworben werden können. Direkt vor seinem Haus betreibt er zudem einen kleinen Straßenverkauf, wo er auf interessierte Vorbeigänger wartet. Sein zehnjähriger Enkel ist dabei besonders geschickt im Umgang mit unserer App und unterstützt seinen Großvater tatkräftig.

Im Herzen Siebenbürgens, in Deutschweisskirch wo auch König Charles ein Domizil besitzt, setzt Gabor Matei das Erbe des Dorfschmieds fort. Auch wenn er nebenbei Landwirtschaft betreibt, ist es das Schmiedehandwerk, das in den Mittelpunkt seines Schaffens rückt. Er hat ein besonderes Gespür dafür entwickelt, wie er das Interesse der Touristen wecken kann, und personalisiert kleine Hufeisen mit ihren Initialen. Dieses Handwerk bietet ihm nicht nur die Möglichkeit, seine Familie zu unterstützen, sondern auch, sich als Teil einer Gruppe zu sehen.

Lenuta Florea aus Probstdorf (Stejarisu) hat ihre Passion im Brotbacken für Touristen gefunden. Diese Erfahrung veränderte ihre Perspektive auf ihr Handwerk, das sie nun in einem ganz anderen Licht und mit einem gesteigerten Wertempfinden sieht. Durch den Tourismus konnte sie nicht nur ihren Verdienst aufbessern, sondern auch die Wertschätzung für ihre Arbeit steigern. Während sie einerseits traditionelle Hausschuhe aus Filz herstellt, verdient sie andererseits durch das Brotbacken für das Gästehaus und durch Backkurse für Touristen ein wichtiges Zubrot. Dies, in Kombination mit ihrer Landwirtschaft, ermöglicht es ihr, ihre Familie zu ernähren und dabei die Beziehung zu ihrer Arbeit über den Tourismus aufzuwerten.

Projekte wie die von Catalin oder dem Popasul Morii zeugen von der Bedeutung des Tourimus zur Erhaltung des kulturellen Erbes, aber auch den Problemen. Initiativen wie die von Emil und Gabor Matei verdeutlichen, wie alte Traditionen in moderne Geschäftsmodelle integriert werden können. Der Agrotourismus bietet Gabor Matei die Möglichkeit, sein kulturelles Erbe zu bewahren indem er es gleichzeitig der nächsten Generation weiterzuvermitteln.

Welches sind die Schwierigkeiten des Agrotourismus?

Neben den Vorteilen gibt es auch Herausforderungen im Agrotourismus. Kleinbauern stehen oft vor dem Problem mangelnder Unterstützung durch lokale Institutionen, unzureichender geschäftlicher Schulungen und begrenzter Finanzierungsmöglichkeiten. Kritiker wie Devine weisen darauf hin, dass Landwirte, die touristische Dienstleistungen anbieten, nicht nur ihre Produkte, sondern auch das Erlebnis eines Ortes, einschließlich seiner Identität, Kultur und Natur, verkaufen. Dies kann dazu führen, dass Menschen und Orte zu „Produkten“ werden, was zu Konflikten über Land und Identität führen kann (Devine).

Obwohl es kommerzielle Aspekte und Herausforderungen gibt, bietet der Agrotourismus Kleinbauern eine praktikable Möglichkeit, ihre traditionellen landwirtschaftlichen Aktivitäten in einem sich verändernden Agrarsektor fortzusetzen. Er kann wirtschaftliche Disparitäten reduzieren und das regionale Wachstum fördern (Adamov et al.).

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